06. Der Skandal: Cambridge-Analytica

Wenn man die Gesellschaft grundlegend verändern will, muss man sie zuerst zerbrechen. Und nur wenn man sie zerbricht, kann man die Teile zu seiner eigenen Vision einer neuen Gesellschaft zusammenfügen.

Christopher Wylie, Datenwissenschaftler und ehem. Mitarbeiter bei Cambridge-Analytica

Ein Vorgeschmack, dass Facebook mehr kann als nur Marketing, wurde 2014 bekannt: Zwei Jahre zuvor führte Facebook ein geheimes Experiment an rund 700 000 unwissenden Usern durch. Dabei stand die Frage im Raum, ob es möglich ist, den User durch entsprechende Feeds in eine bestimmte Stimmungslage zu versetzen. Dies überstieg die bisherige Praxis der Datensammlung, denn nun griff Facebook aktiv in das Gefühlsleben der Nutzer ein.

Die Empörung über dieses geglückte Experiment war groß, denn, auch wenn es sich im rechtlichen Rahmen bewegte, wurde es dennoch als „unethisch“ angesehen. Viel wichtiger aber waren die Erkenntnisse, die Facebook damit gewann, nämlich dass eine „groß angelegte emotionale Ansteckung via sozialer Medien“ möglich ist.

Als 2018 der Cambridge-Analytica-Skandal um den Missbrauch von Nutzerdaten öffentlich wurde, kam eine neue Dimension der Macht der Algorithmen ans Licht: Hier wurden Nutzerdaten im großen Stil dafür benutzt, aktiven Einfluss auf die politische Meinung zu nehmen, und damit die US-amerikanische Präsidentschaftswahl erfolgreich zu manipulieren.

Wie es dazu kam

Bereits 2013 nahm Steve Bannon, der spätere Berater Donald Trumps und Leiter der rechts-orientierten Webseite Breitbart News Network, Kontakt zum Unternehmen SCL Group (später unter dem Namen Cambridge-Analytica bekannt) auf – ein Unternehmen, das darauf spezialisiert war, Wahlen zu beeinflussen. Bannons Ziel war, potentielle Wähler in den Sozialen Medien gezielt mit manipulativen Informationen zu füttern.

Und das funktionierte so: Zunächst köderte man die User mit einer von dem Psychologen Dr. Aleksandr Kogan entwickelten App „This is Your Digital Life“, die auf Facebook bereits großflächig im Umlauf war. Wer sich die App herunterlud gewährte Zugriff auf die eigenen Daten. In der Folge wurden sämtliche Handlungen des Users getrackt, gespeichert und im großen Stil analysiert. Beispielsweise gaben Suchanfragen, Kommentare, Status-Updates, private Nachrichten und „Likes“ sehr genau Auskunft über den jeweiligen User. Daraus konnten individuelle Persönlichkeitsprofile erstellt werden.

Microtargeting

Diese Facebook-User-Daten bildeten die Grundlage für die Entwicklung der Algorithmen, welche in der Lage waren spezielle, manipulative Feeds zu generieren, die auf die Persönlichkeit jedes einzelnen Users in Wortlaut und Gefühlslage abgestimmt waren. Zusätzlich wurden von einem „Experten-Team“ Fake-Webseiten und Fake-Blogs mit meinungsbildenden Inhalten angelegt, die jeweils nur von den gewünschten Zielgruppen gefunden werden konnten.

Durch diese „Flüsterpost“- Strategie – jeder User hatte andere Informationen – wurde jede Form des gemeinschaftlichen Diskurses fundamental untergraben. Betroffen waren rund 60 Millionen User-Profile auf Facebook.

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